Paul Brandenburg

Der Haftbefehl

In Berlin arbeite man an meinem Haftbefehl. Die Warnung erreicht mich immer öfter. Stets aus „gut unterrichteten Kreisen“. Warum gerade jetzt? Weil es zu still geworden sei.

Früher erreichten mich aus dem „Staatsschutz“ der Kriminalpolizei die „Ermittlungsmitteilungen“ im Wochentakt; teilweise öfter. Stets teilte man mir das gleiche mit. Ich hätte mich des Straftatbestandes des neuen Paragraphen 188 schuldig gemacht: „Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung“. Die Geschädigten wären Angehörige des amtierenden Bundeskabinetts. Ich sei am/um/im in das Hauptquartier der politischen Polizei vorgeladen, um diesbezüglich eine Aussage zu machen.
So ging es Monat um Monat. Seit einigen Wochen aber herrscht Stille. Wie es um die bisher rund 70 Ermittlungsverfahren steht: unklar. Seit Wochen scheint es, kam kein weiteres mehr hinzu. Statt dessen tauchten Uniformierte auf. Bei meiner Familie und in den Fluren von Mietshäusern, die ich früher bewohnte. Wann ich dort „das letzte mal gesehen worden sei“? Ob ich mich regelmäßig dort aufhielte? Es gäbe da „Widersprüche“ hinsichtlich meines Aufenthaltsortes. Die müsse man in „behördlichem Auftrag“ klären. Meine Anwältin fragte schriftlich nach dem Zweck. Zwei mal. Dann kam ein Schreiben: Diesen Zweck könne man nicht mitteilen. Der sei geheim.

Mitgeteilt hat man unterdessen, dass die „Ermittlungen“ in Sachen der von mir angeblich gekauften? gehandelten? besessenen? „Kriegswaffen“ wieder aufgenommen wurden. Erst Tage zuvor verkündete die verantwortliche Generalstaatsanwaltschaft das Gegenteil: Der Abschluss dieser Sache stünde bevor. Man habe nichts gefunden.Der „Staatsschutz“ („LKA 5“) hatte wohl ermittelt, was von Beginn an offenkundig war: Der Anfangsvorwurf gegen mich war eine Lüge. Zu diesem Eingeständnis kamen die Beamten, nachdem sie die Wohnungenstüren meiner Mutter, meines Bruder und auch meine eigene eingetreten hatten. Nachdem sie uns durch „Sondereinsatzkommandos“ zu Boden warfen, fesselten und mit vorgehaltenen Gewehren ins Gesicht brüllen. Nachdem sie meine Telefone, meinen Computer und selbstverständlich all meine Waffen raubten, die ich seit Jahren als Jäger angemeldet hatte. Wie meine Waffen unterzogen sie fünfzehn Jahre meiner Textnachrichten, Emails und auch Fotos ihrer peinlichen Analyse. Jede Zeile meiner Texte und jedes meiner noch so privaten Fotos, jede Waffe wurde untersucht auf Spuren von Verbrechen. Mit all ihren Apparaten fanden sie nach Monaten der Analyse: nichts. Nichts gegen mich zumindest. Diese Erkenntnis hielten sie schriftlich fest. Auch die, dass die Lüge von den „Kriegswaffen“ eine Idee war von Christian H. Er war mein Ex-Mitarbeiter und sann auf Rache für seinen Rauswurf. Die Belege für die Tat des Christian H. waren so erdrückend, dass selbst der „Staatsschutz“ sie nicht zu ignorieren vermochte.

Was aber dem „Staatsschutz“ nicht gelang, vollbrachte die ihm vorgesetzte Generalstaatsanwaltschaft. Ihr Vertreter teilte mit, „neue Ermittlungsansätze gefunden zu haben, um die Lüge doch noch zu „beweisen“. Das Verlangen meiner Rechtsanwältin, ihr die gesetzlich vorgeschriebene Akteneinsicht in diese „Ansätze“ zu gewähren, ignoriert er bis heute. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde läuft. Bis ans Ende aller Tage, oder die zumindest des herrschenden Regimes. Das Recht dazu hat es ganz offiziell. In Deutschlands „Rechtsstaat“ nämlich begrenzt nichts und niemand die eine Dimension die aus „Ermittlungen“ ein Vernichtungswerkzeug machen kann: die Zeit. Abhören, Beobachten und Überfallen, das kann in Deutschlands „Rechtsstaat“ so lang weitergehen, wie die „Ermittler“ es sich wünschen. Schwer zu erraten, dass dieser Wunsch seit Jahren keinen Ansatz von Ermüdung zeigt. „Das sei dann so“, bescheiden auch die Rechtsanwälte. So wär der „Rechtsstaat“ halt: nicht ohne Fehler.
Seine Funktionäre machen also immer weiter. Das Wissen, scheint es, dass die Realität ihnen gegen mich nicht Verwertbares bringt, spornt sie nur weiter an. Als „Scheinerwerber“ kamen sie nach ihrem ersten Überfall auf meine Familie schnell zurück. Als getarnte Mitarbeiter der LKA Abteilung 4 („Drogen“) sprachen sie mich beim Tanzen an, um mich zur „unerlaubten Abgabe“ verbotener Substanzen zu motivieren. Sie hofften scheinbar, meine Vorliebe für den Berliner Nachtspielplatz Kit Kat Klub begründe einen mit Hang zu selbigen. Nach ihrem Fehlschlag erreichten den Club plötzlich und unerwartet anonyme Beschwerdeschreiben. Man habe gehört, welcher Unmensch dort feiern dürfe. Man würde das öffentlich mache, so nichts geschehe. Der Club reagierte und setzte meinen Namen auf die einzige Liste, auf die ich es wohl jemals neben Elon Musk und Till Lindemann bringen werde: die seiner unerwünschten Besucher.

Mir das Feiern zu verderben konnte unserer Demokratie aber nicht genügen. Fortan verfolgten mich ihre Beamte des LKA 6 („Operative Dienste“); zu Fuß und mit dem Auto, um mein Leben zu protokollieren. Und das Leben der anderen: meiner Freunde und Familie. Als Mitarbeiter des „Verfassungsschutzes“ hören sie meine Telefone ab und lesen aller Wahrscheinlichkeit nach auch jede Email mit. Als Beamte der „Luftfahrtbehörde“ bemühen sie sich immer weiter um Aberkennung meiner „Zuverlässigkeit“, um mir die Tätigkeit als Pilot zu untersagen. All dies betreibt das Regime inzwischen seit Jahren und unter Lustschreien seiner Journutten. Ihr Stöhnen motivierte von Beginn an auch die Ehrenamtlichen, die Denunzianten und die Teilzeitkundschafter des Apparates. In Form der „Ärztekammer“ beispielsweise drängen sie bei Ämtern und vor Gericht auf die Feststellung meiner „Berufsunwürdigkeit“ als Arzt. Bisher erfolglos. Bei all dem, was in den vergangenen drei Jahren war, kann es unmöglich dauern, bis endlich Herren im Trenchcoat vorfahren, um mich zur „Klärung eines Sachverhaltes“ mitzunehmen. Jörg Drieselmann, Ex-Direktor des Stasi-Museums hatte mir das vor Jahren schon vorausgesagt. Damals lachte ich ihn aus. Heute lachen wir gemeinsam und sind gespannt, welchen „Sachverhalt“ ich dereinst werde klären sollen. Welcher es sein wird, ist den Beamten heute selbst vermutlich noch unklar.

Klar ist aber: Auch ohne alle „Kriegswaffen“, so wird mir glaubhaft versichert, ist es ihnen schon heute „ein leichtes“ einen Haftbefehl zu erwirken. Das laufende Ermittlungsverfahren, unter dem Vorwurf „Kriegswaffen“, mache das zum Kinderspiel. Beliebige andere Anwürfe nämlich liessen sich mit diesem „verbinden“. Als „andere“ drängten sich die eingangs erwähnten Majestätsbeleidigungen auf. So geht der Zirkelschluss des Unrechtsstaates. In der „Summe“ wäre dann eine „potentielle Gefängnisstrafe anzunehmen“. Mein Umzug ins Ausland mache die Liste notwendiger Voraussetzungen komplett: Er begründe „Fluchtgefahr“ und liefere damit einen notwendigen „Haftgrund“. Den entsprechende Befehl, den würde der Untersuchungsrichter unfraglich unterschreiben. So wie schon den, zur Erstürmung der drei Wohnungen. Untersuchungsrichter würden dererlei Befehle schließlich weder schreiben noch sie lesen. Zweck des Untersuchungsrichters sei allein die Unterschrift darunter. Auf die würde er sich gewissenhaft beschränken.

Vor kurzem nahm mich ein Mann zur Seite an. Er sei sehr froh, flüsterte er, dass ich nicht mehr in Deutschland sei. Gefängniswärter sei er von Beruf und habe mit Kollegen schon befürchtet, mich bald beruflich zu treffen. Käme es doch noch so weit, versicherte er, solle ich mich mit der Gewissheit trösten, dass „auch drinnen“ viele Freunde“ seien“. Seine Sorge schien so aufrichtig, wie seine Zusicherung.

So unerwartet wie die Sympathie der Kerkermeister war anfangs auch das Misstrauen mancher „Widerständler“. Nicht wenigen nämlich scheint es Beweis für meine Falschheit und nur eine weitere große Lüge, dass ich überhaupt auf freiem Fuß noch bin. Als Mann mit „verdächtiger Nase“, der früher ja schon einmal in der „Illuminaten-Schweiz“ lebte, dränge sich auf, dass ich Agent und nicht Gegner des Regimes sei. Das zeige mein Lebenslauf jedem auf, der noch selbst denken könne. Alle „Verfolgung“ sei nur inszeniert und ich in Wahrheit „Hochgradmaurer“ und Zionist natürlich sowieso.

Ob für die Mörder dieses Regimes das gleiche gilt wie für seine Kritiker und Schließer? Falls es am Ende doch kein Haftbefehl sein wird, den es an mir vollstrecken mag, frage ich mich das: Ob der der abdrückt es wohl auch nur mit Widerwillen macht? Mich vorher kurz noch seiner Sympathie versichert? Und wenn ich dann erst „verunglückt“ bin, wieviele „Selberdenker“ werden sich dann wohl sicher sein, dass alles ohnehin nur Inszenierung war? So wie der Haftbefehl, wenn er denn kommt. Sollte ich Deutschland weiter betreten, sagen die gut Unterrichteten, dann wird er kommen. Und das recht bald.

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