Kunst im politischen Ausnahmezustand – Gunnar Kaiser zum ersten Todestag

Gastbeitrag von Paula Rosenthal

Kunst jeder Variante ist ein Kanal, ein Ventil und eine Projektionsfläche menschlichen Innenlebens. Sie ist eine Reflexion über die Welt, die der Wahrnehmung anderer Menschen zugänglich ist und sie einlädt in die Betrachtung des Künstlers oder auch in die Teilhabe und Mitgestaltung. Eine Metaebene, in welcher über alle Aspekte agiert wird, was den Menschen im Innen und Außen bewegt, in der Regel mit einer einladenden Ästhetik. Kunst ermöglicht das Erleben von Genuss, Reflexion, gemeinsamer Schwingung, Erkenntnis, aller möglichen Gefühle (Katharsis) oder schlichter Freude. Kunst ist die Freiheit des Denkens und Fühlens, die den Menschen – bildlich gesprochen – nahezu schrankenlos in Höhenflüge und neue Welten führen kann: eine Berührung der Seele

Corona-Verordnungen haben das Menschsein in dieser feinen Hinsicht hart unterbrochen und fast erstickt. Lockdowns und Verordnungen haben verboten und sondiert. Schließlich haben Verbote geregelt, welcher Mensch an Kunst wie auch Sport Anteil haben darf. Gespritzte durften Sport treiben, schau-/spielen, singen – Ungespritzte durften es nicht. Corona war die Bürokratisierung der Kunst, die Verwaltung und Einhegung des menschlichen Ausdrucksbedürfnisses.

Der unbedingte Freiheitsanspruch der Kunst wurde einerseits gebrochen in eine opportunistische, der Folgsamkeit geopferte „Kunst“ mit ihren offenbar unlauteren Vertretern.Sie lebte andererseits kraftvoll auf, durch jene Rebellen, die dem Wesen der Künste tatsächlich entsprachen. Das Projekt „allesdichtmachen“ war ein hoffnungsträchtiger und kraftvoller Beitrag – auch wenn einige unter den Akteure unter hassversetztem Gegenddruck einknickten.

Ich widme diese Hommage denjenigen, die sich im Untergrund widersetzt haben. Denen, die ihren Künsten heimliche, verbotene Räume geschaffen haben, damit Menschen weiter musizieren konnten. Denjenigen, die auf eigenes Risiko einer Bestrafung ihre Räume öffneten, damit Menschen regelmäßig zusammenkommen konnten, im Dunkeln, Jalousien herabgelassen, Fluchtwege geplant und ausprobiert, falls ein Nachbar die Polizei ruft, weil auffällig viele Menschen den Ort betreten (einzeln bitte! und leise!). Allen Menschen, die Orte schufen, an denen heimlich Instrumentalmusik oder Chormusik geprobt werden konnte und an denen sich niemand mit einer todbringenden Krankheit ansteckte. All den Menschen, die Erfahrungen echter Solidarität möglich machten, Verlässlichkeit, Widerständigkeit und Wärme gegen dumme, kalte Bürokratie
Ich danke den – oft professionellen – Künstlern, die das möglich machten und erheblich dazu beitrugen, das menschenfeindliche Unrecht zu ertragen, es Besenstrich für Besenstrich (Beppo Straßenkehrer) durchzuhalten und wahre Kunst zu ermöglichen. Diejenigen werden wissen, dass sie gemeint sind.

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